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Rechtsschutzversicherer: Als Rechtsdienstleister ungeeignet

Beschlussvorlage der Justizministerkonferenz ist abzulehnen: Rechtsschutzversicherer sind als Rechtsdienstleister ungeeignet!

BRAK-Stellungnahme vom 06.11.2025

Die Bundesrechtsanwaltskammer hat ein Update zu der Beschlussempfehlung am Vortag der Justizministerkonferenz veröffentlicht. Sehr treffend ist darin der O-Ton des Präsidenten der BRAK, Dr. Ulrich Wessels:

„Was hier als verbesserter niedrigschwelliger Zugang zu Rechtsdienstleistungen verkauft werden soll, ist nichts anderes als eine Abkehr von unabhängiger Rechtsberatung. Es wird hier nicht etwa eine „Versorgungslücke“ geschlossen, sondern eine Beratungslücke eröffnet! Zu behaupten, organisatorische Trennungen innerhalb des Versicherers zwischen Deckungsprüfung und Rechtsdienstleistung könnten
Interessenkonflikte vermeiden, ist reine Augenwischerei. Natürlich wird ein wirtschaftlich vernünftiger Versicherer die Eigeninteressen und die seiner Eigner über die der Mandantinnen und Mandanten stellen. Gegenteilige Behauptungen halte ich für hochgradig unseriös!“

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BRAK Präsident RA Dr. Ulrich Wessels appelliert weiter an die Justizministerinnen und Justizminister der Länder:

„Ich gehe davon aus, dass sich die Landesjustizministerinnen und -minister der Tatsache bewusst sind, dass dem Vorschlag aus Bayern eine Abkehr von unabhängiger und freier Rechtsberatung immanent ist und sie dem Plan daher eine klare Absage erteilen werden.“

Die Stellungnahme verlinken wir natürlich.

Wir hoffen ebenfalls, dass die Landesjustizminister diesen sachfremden Versuch, Justiz von ihrer eigentlichen Aufgabe zu befreien, ablehnen.

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Auch im NJW-Editorial wird der Vorschlag aus Bayern durch Prof. Dr. Martin Fries „gewürdigt“ und vielleicht zu Recht kritisiert, dass erst ein derart extremes Aushebeln des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) die Kammern auf den Plan ruft, die seit vielen Jahren dem systematischen Unterlaufen des Gesetzes durch „aktives Schadensmanagement“ im Grunde nur zugesehen haben.

Nicht folgen können wir der Schlussfolgerung, man könne das RDG auch sterben lassen. Der Schaden für das rechtsuchende Publikum wäre riesig.

RA Martin Huff in der LTO (05.11.2025)

Zu dem Vorschlag des Bayerischen Justizministeriums hat mittlerweile auch unser Mitglied RA Martin Huff sehr deutlich Position bezogen. Seinen Beitrag verlinken wir gerne.

Unabhängige Beratung in Gefahr (vom 24.10.2025)

Aus Bayern kommt ein Vorschlag zur Justizministerkonferenz in Leipzig, die am 07.11.2025 tagt. Der Vorschlag würde den Rechtsstaat in seinen Grundfesten erschüttern.

Rechtssschutzversicherer sollen nach der Beschlussvorlage selbst Rechtsdienstleistungen anbieten dürfen.

Ohne Anwaltschaft keine unabhängige Beratung

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind

unabhängige, berufene Vertreter

ihrer Mandantinnen und Mandanten. Das regeln § 1 BRAO und § 3 Abs. 1 BRAO und das sind keine Floskeln, das gesamte Anwaltsberufsrecht baut auf diesen Kernwerten und der anwaltlichen Verschwiegenheit auf.

Rechtsschutzversicherer sind nicht unabhängig

Rechtsschutzversicherer sind nicht unabhängig, sie verfolgen wirtschaftliche Eigeninteressen und stellen diese immer regelmäßiger über den Anspruch auf Erfüllung der vertraglich versprochenen Versicherungsleistung. Beispiele aus der Praxis kennen wir leider genug. Es geht auch nicht mehr um Einzelfälle, sondern um ein systematisches Unterlaufen des Anspruchs auf freie Anwaltswahl, der in § 3 Abs. 3 BRAO geschützt ist, durch die Branche.

Es fängt mit kleinen Vergünstigungen an, die Versicherte erhalten, wenn sie den auch nach § 127 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geschützten Anspruch auf freie Anwaltswahl nicht nutzen, sondern sich einen Anwalt des Versicherers „empfehlen“ lassen. Leider hat der Bundesgerichtshof die Dimension der finanziellen Zwänge oder des Geizes unterschätzt und einen Anreiz in Form des Verzichts auf den Selbstbehalt bis 250 € als noch unwesentlich eingeordnet; BGH IV ZR 215/12.

„Anwaltsportale“ dienen nicht den Interessen der Versicherten

Es geht weiter mit der Gründung von Portalen, die durch Rechtsschutzversicherer gegründet und betrieben werden und in denen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte die Mandate durch die Versicherer zugetragen bekommen und damit wieder einen Teil ihrer Unabhängigkeit abgeben.

Eigene Beratungsunternehmen der Rechtsschutzversicherer: Nicht unabhängig!

Der nächste Schritt wäre der Eintritt der Rechtsschutzversicherer als Anbieter am Rechtsmarkt. Der Interessenkonflikt wird dann unübersehbar: Der Versicherer schaut auf seine Zahlen, entscheidet  anhand von Wahrscheinlichkeiten über die Erfolgsaussichten und kauft den Versicherten das Risiko ab, um den Streit zu vermeiden oder gewährt gelegentlich Versicherungsschutz, wenn die Erfolgsaussichten unübersehbar dominieren.

Eigentlich drängt sich auf, dass hier die Interessen der Rechtsuchenden auf der Strecke bleiben: Wenn Sie nicht länger für die Beratung bezahlen und die Kosten erstattet erhalten, sondern der Versicherer selbst berät, besteht ein Konflikt zwischen dem Interesse, die Ausgaben im Versicherungsverhältnis möglichst niedrig zu halten und dem Interesse des Versicherten, unabhängig von finanziellen Interessen beraten und vertreten zu werden.

Angemessene Reaktion aus Bayern

Auf diesen klar ungeeigneten Vorschlag aus dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz kam am heutigen 24.10.2025 die passende Antwort der drei Bayerischen Rechtsanwaltskammern in Bamberg, München und Nürnberg und aus dem Bayerischen Anwaltsverband.

Gemeinsame Stellungnahme der Bayrischen Anwaltschaft

Die Rechtsanwaltskammer Freiburg hat dem Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg gegenüber ebenfalls deutlich Stellung bezogen. Wir hatten diesen Bericht bereits am 14.10.2025 geschrieben, aber zunächst die Veröffentlichung noch zurückgestellt. Die hervorragende Stellungnahme der Kolleg*innen aus Bayern und deren Presseerklärung geben Anlass, ihn heute zu veröffentlichen.

Zur Stellungnahme aus Bayern gibt es auch noch eine Presseerklärung.

Auch der Deutsche Anwaltverein ist strikt gegen den Vorschlag.

Die Rechtsanwaltskammer Berlin und der Berliner Anwaltverein haben sich ebenfalls ablehnend geäußert, die BRAK hat für die gesamte Anwaltschaft Stellung bezogen.

Gesetzesentwurf: Völlig ungeeignet

Dieser Konflikt wird zwar in der Beschlussempfehlung angesprochen, allerdings in seiner Tragweite nicht wirklich erfasst: Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat erst kürzlich entschieden, dass § 4 RDG eine allgemeine Regelung beinhaltet, die schon bei der Gefahr eines Konflikts zwischen der Rechtsdienstleistung und anderen Interessen des Rechtsdienstleisters die Erbringung der Rechtsdienstleistung verbietet.

Die Initiatoren der Beschlussvorlage sehen Rechtsschutzversicherer als „Gatekeeper“ und beschreiben dabei unbewusst die riesige Gefahr des eigenen Modells: Der Türsteher entscheidet dann, wer Zugang zum, Recht erhält und wer an wirtschaftlichen Interessen der Versicherer scheitert.

Wenn ein Großschadensereignis wie der massenhafte Betrug im Rahmen des „Dieselskandals“ zu einer größeren Anzahl Schadensfälle führt, hätten Rechtsschutzversicherer mit eigenem Zugang zum Rechtsdienstleistungsmarkt einen ganz beeindruckend kostensparenden Hebel: Sie könnten ihren Versicherten das Risiko abkaufen wollen und damit (ungewollt) verhindern, dass das Handeln für die Verantwortlichen Konsequenzen hat.

Ein ähnliches Vorgehen ist in der Praxis auch heute bereits zu beobachten, nach Auffassung des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer allerdings aktuell eine verbotene Rechtsdienstleistung: Versicherer kontaktieren unmittelbar nach einer Deckungsanfrage durch Kanzleien die Versicherten und bieten einen Geldbetrag an, fordern die Versicherten auf, den Mandatsvertrag zu widerrufen. In diesen Telefonaten liefern sie ein Einschätzung, warum es sich nicht lohnen werde, die Ansprüche zu verfolgen. Diese Beratung aber ist eine Tätigkeit in konkreten fremden Rechtsangelegenheiten und beschränkt sich nicht auf die Aufklärung der Chancen zur sachgerechten Entscheidung über die Deckungsfrage. Die Beratung erfordert dabei die rechtliche Prüfung des Einzelfalls, und ist damit Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG.

Rechtsschutzversicherer verfügen aktuell nicht über die Berechtigung zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen, weshalb die Beratung rechtswidrig ist. Sie zu legalisieren, hieße aber, den Konflikt zu aktivieren, den § 4 RDG vermeiden will und dessen Eintreten aktuell § 2 Abs. 1 RDG noch erfolgreich vermeidet.

Resilienz: Ein Hintergrund

Die freie Anwaltschaft ist eines der ersten Ziele, wenn ein Rechtsstaat demontiert wird. Das zeigen die Ereignisse in Russland, der Türkei oder auch den USA.

Um sie und ihre Funktion zum Schutz der Bürger vor staatlichen Repressionen zu sichern, bemüht sich die freie Anwaltschaft um die sogenannte #Resilienz.

Auch die Beschlussvorlage aus Bayern ist ein direkter Angriff auf den Rechtsstaat. Denn im Ergebnis wäre die Versorgung durch Anwältinnen und Anwälte in der Fläche binnen weniger Jahre dahin: Ein erheblicher Anteil der kleineren Kanzleien in der Fläche wird von Mitgliedern geführt, die in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand gehen. Wenn Rechtsschutzversicherer den Zugang zum Rechtsdienstleistungsmarkt erhalten, werden diese Kanzleien nicht mehr betrieben werden können und aufgelöst. Damit wäre auch bei Beratungsbedarf gegen staatliche Übergriffe kein entsprechender Schutz mehr erreichbar.

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