Gerichtsentscheidung | Allgemeine Nachrichten
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Nun auch das BVerfG zu § 522 ZPO – ein Problem der Prozessordnung?
BVerfG: Zurückweisung als "offenkundig ohne Erfolgsaussichten" nach Presseerklärung des BGH zum Thema ist verfassungswidrig.
Verfassungswidrige Zurückweisung einer Berufung
Der Senat eines Oberlandesgerichts weist eine Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO als offenkundig aussichtslos zurück, nachdem der Bundesgerichtshof per Pressereklärung darauf hingewiesen hatte, dass die gerade dem EuGH vorgelegte Rechtsfrage, ob die Zulassungsvorschriften für Fahrzeuge im Straßenverkehr Schutzgesetze zugunsten der Eigentümer sind, Auswirkungen auf anhängige Revisionsverfahren haben würde, sollten diese Verfahren im Sinne des Antrags des Generalanwalts bei dem EuGH entschieden werden.
Der Berufungskläger hatte den Senat des Oberlandesgerichts noch ersucht, die Entscheidung zurückzustellen, bis über die Vorlagefrage entschieden sei. Der Senat indes wies die Berufung als offenkundig aussichtslos zurück.
Das Bundesverfassungsgericht erläutert den Sachverhalt in einer Presseerklärung, wir verlinken auch den Volltext der am 06.11.2025 veröffentlichten Entscheidung BVerfG 2 BvR 1760/22 vom 08.09.2025.
Nochmals: Ist vielleicht § 522 II ZPO das Problem?
Es ist wieder einmal die Vorschrift des § 522 Abs. 2 ZPO, die in der Praxis gedehnt wird, bis sie reißt. Das hatten wir bereits einmal als Eingangssatz geschrieben, es bleibt leider eine Blaupause für weitere Artikel die Vorschrift, die hoffentlich in nicht allzu ferner Zukunft gestrichen wird:
Berufungskammern oder -senate schreiben seitenweise mit Literatur- und Rechtsprechungszitaten gespickte Abhandlungen, mit denen sie zeigen wollen, dass ein Rechtsmittel ohne Aussicht auf Erfolg sei, ja sogar „offenkundig“ ohne Aussicht auf Erfolg sei.
Wenn das indes der Fall wäre, dürfte kaum ein solcher Begründungsaufwand gerechtfertigt sein. Also wäre es häufig deutlich effizienter, einen Termin anzusetzen und über die Rechtsauffassung zügig zu verhandeln. Einer Partei lassen sich die seitenweisen Begründungen, warum deren Ansinnen umgangssprachlich „sinnlos“ war, ohnehin kaum vermitteln, weshalb die Vorschrift bisweilen eher den Rechtsfrieden gefährdet.
Im konkreten Fall hat sich das OLG München die Entscheidung 8 U 5204/22 vom 25.08.2022 immerhin leicht im Sinne von kurz gemacht und keine ewigen Abhandlungen geschrieben. Verfassungswidrig ist die Entscheidung dennoch. Es bleibt die Frage, was das alles soll.
Aus der Entscheidung des BVerfG
Wir zitieren aus der Entscheidung ab Randnummer 19:
„[19] § 522 Abs. 2 ZPO eröffnet die Möglichkeit, „substanzlose“ Berufungen im Interesse einer einfachen Erledigung sowie des Berufungsbeklagten an einer schnellen rechtskräftigen Entscheidung in einem schriftlichen Verfahren zurückzuweisen. Das Berufungsgericht darf die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn offensichtlich keine Erfolgsaussichten bestehen, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Einheitlichkeit der Rechtsprechung keine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (vgl. Wulf/Gaier, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, § 522 Rn. 13 <Juli 2025>).
[20] Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO kommt einer Sache zu, wenn sie eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage setzt die Revisibilität des anzuwendenden Rechts nach § 545 Abs. 1 ZPO voraus. Klärungsbedürftig sind solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind (vgl. BVerfGK 17, 196 <200>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. Juli 2022 – 1 BvR 832/21 u.a. -, Rn. 14).
[21] c) Gemessen an diesen Maßstäben hat das Oberlandesgericht die Vorschrift des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise angewendet und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt. Die Annahme, die Sache hätte keine grundsätzliche Bedeutung und erfordere weder eine Entscheidung durch berufungsgerichtliches Urteil noch die Zulassung der Revision, ist aus Sachgründen nicht zu rechtfertigen.“
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