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Änderung der Zuständigkeitswerte zum 01.01.2026
Ab 01.01.2026 Zuständigkeitswerte angehoben – Rechtsmittelstreitwerte ebenfalls | Postulationszwang hängt am Streitwert
Was ist neu am 01.01.2026?
- Zivilverfahren vor dem Amtsgericht jetzt bis 10.000 €.
- Landgericht erst ab über 10.000 €.
- Verfahren nach billigem Ermessen jetzt bis 1.000 €.
- Bis 10.000 € kein Anwaltszwang.
- Kostenbeschwerde jetzt erst ab über 300 € Beschwer.
- Nichtzulassungsbeschwerde in der Revision erst über 25.000 €.
Details und Einordnung durch RAK Freiburg
Zum 01.01.2026 tritt das Gesetz zur Änderung des Zuständigkeitsstreitwerts der Amtsgerichte, zum Ausbau der Spezialisierung der Justiz in Zivilsachen sowie zur Änderung weiterer prozessualer Regelungen in Kraft, das erhebliche Änderungen im Zivilprozess mit sich bringt. Nach rund drei Jahrzehnten erhöht der Gesetzgeber den Zuständigkeitsstreitwert zum Landgericht, § 23 GVG. Statt bislang ab über 5.000 € Wert beginnt die Zuständigkeit des Landgerichts erst bei über 10.000 €.
Die Reform ist überfällig, der Anstieg durch die lange Zeit des Nichtstuns allerdings sehr drastisch.
Postulationsfähigkeit
Die Zuständigkeit des Landgerichts bedeutet auch, dass jede Partei anwaltlichen Beistand benötigt. Vor dem Landgericht ist eine nicht anwaltlich vertretene Partei nicht in der Lage, wirksame Prozesserklärungen abzugeben. Wir Juristinnen und Juristen sprechen von der „Postulationsfähigkeit„. Das bedeutet umgekehrt auch, dass ab dem 01.01.2026 auch ein Prozess über 10.000 € vor dem Amtsgericht und ohne anwaltlichen Beistand geführt werden kann.
Sorgen aus der Anwaltschaft
Ein Teil der Anwaltschaft in Deutschland hat sich deshalb besorgt gezeigt, auch die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) griff diese Sorge in ihrer neuesten Stellungnahme zum Gesetzesentwurf noch einmal auf. Der plötzliche Sprung könne zum Wegfall einer großen Anzahl Verfahren und damit zu erheblichen Einnahmeverlusten bei Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten führen.
Freiburg optimistischer
Diese Sorgen versteht der Vorstand der Rechtsanwaltskammer Freiburg, ordnet sie allerdings vor dem Hintergrund der Inflation ein: 5.000 € aus der Zeit der letzten Wertanpassung entsprechen heute ungefähr 9.500 €. Die reale Verschiebung ist also nicht so dramatisch, die Anwaltschaft hatte jahrelang Mandate, die bei einer regelmäßigen Anpassung an die Geldentwertung nicht mehr anwaltspflichtig gewesen wären. Wir rechnen außerdem damit, dass die Quote der Verfahren, die ohne anwaltliche Begleitung vor den Amtsgerichten geführt werden eher sinkt, da bei einem Streit über bis zum 10.000 € Parteien hoffentlich erkennen, dass es sinnvoll ist, anwaltlichen Rat hinzuzuziehen.
Sorge in Freiburg: Keine Vorbereitungszeit für die Justiz
Was den Vorstand der Rechtsanwaltskammer Freiburg sehr viel mehr sorgt: Die Kurzfristigkeit mit der das Projekt der Ampelregierung durch die jetzige Koalition aufgegriffen und durchgezogen wurde. Die Justiz, die ja Ländersache ist, konnte in keinem einzigen Bundesland auf die neue Situation reagieren, Stellen konnten nicht mehr vor dem Hintergrund der Änderungen besetzt werden, weshalb kurzfristig zu wenige Richterinnen und Richter an den Amtsgerichten und zu viele an den Landgerichten tätig sind. Die Aufwertung der Amtsgerichte ist im Grunde im Sinne einer bürgernahen Justiz der richtige Weg, aber wieder einmal bleibt die Planbarkeit auf der Strecke. Diese Unsicherheit war vermeidbar, denn ein Inkrafttreten erst zum Anfang 2027 hätte die Reform nicht grundsätzlich entwertet.
Ein Ärgernis: Die Anhebung der Revisionssumme
Dass im Rechtsausschuss die Beschwer für die Kostenbeschwerde (statt bislang 200 € jetzt 300 €) und die Schwelle aus dem Verfahren nach billigem Ermessen (früher 600 €, jetzt 1.000 €) angehoben wurden, ist im Rahmen der Anpassung an die Inflation in Ordnung. Dass allerdings auch die Erwachsenheitssumme für eine Revision zum Bundesgerichtshof von 20.000 € auf jetzt 25.000 € angehoben wurde, ist ein Ärgernis.
Übergangsrecht verstetigt sich
Das Versprechen zur Einführung der ZPO-Reform 2001/2002 war es, den Zugang zum Bundesgerichtshof auch in „kleinen“ Verfahren zu eröffnen. WIr zitieren aus der Begründung des Entwurf des Zivilprozessreformgesetzes, dort S. 36:
„Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels darf nicht vom Geldbeutel abhängen.“
Um eine Überlastung des BGH zu verhindern, wurde eine Übergangsregelung in § 26 Nr. 8 EGZPO (a.F. bei Buzer) eingeführt, die eine Revisionssumme von 20.000 € bis zum 31.12.2006 vorsah. Die Regelung wurde immer wieder erstreckt, dann Nr. 8 aus § 26 EGZPO gestrichen und die Regelung in § 544 ZPO übernommen. Ein Kerngedanke einer in Teilen ohnehin unglücklichen Ziviprozessreform (vgl. dazu NJW-Editorial zu § 522 Abs. 2 ZPO und dort verlinkte weitere Beiträge), das Versprechen einer Überprüfung auch von Entscheidungen mit geringem Wert vor dem Bundesgerichtshof, wird so kalt gestrichen, die Hürden werden erhöht, obwohl eine Überlastung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen nicht feststellbar ist.
Bekanntmachung steht noch aus
Der Bundesrat hat keine Einwendungen geäußert, den Vermittlungausschuss nicht angerufen. Sobald das Gesetz im Bundesgesetzblatt digital veröffentlich ist, werden wir diesen Beitrag aktualisieren.
Besondere Zuständigkeitsregeln | besondere Zivilkammern
In § 23 Nr. 2 e GVG wird eine streitwertunabhängige Zuständigkeit der Amtsgerichte für Nachbarrechtsstreitigkeiten eingeführt. Im Gegenzug werden in § 71 GVG streitwertunabhängige Zuständigkeiten der Landgerichte für Streitigkeiten aus dem Unternehmensstabiliserungs- und -restrukturierungsgesetz, in Presserechtssachen, aus Vergabevorgängen und aus Heilbehandlungen bestimmt. In § 72a GVG wird ergänzend die Bildung von Zivilkammern für verschiedene Rechtsgebiete geregelt. Die entsprechenden Änderungen werden durch den Vorstand der Rechtsanwaltskammer Freiburg begrüßt.
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Wir wollen der Generation der zukünftigen Mitarbeiter*innen dort zeigen, welche spannenden juristischen Beruf es gibt, wo sie sich aufhält und instagram ist einer dieser Orte.


